Impuls Nr. 97

Mütter sind wie Knöpfe...

 

Liebe Schwestern und Brüder,

am Sonntag ist Muttertag (und am kommenden Donnerstag Vatertag) und da kann es vorkommen, dass bei Ihnen als Mutter oder Vater dann ein kleines Geschenk ankommt. Meistens - so erlebe ich es zumindest bei meinen Kindern - ist das mit großem Engagement gebastelt und mit entzückender Geheimhaltung bis zum Mutter-/Vatertag versteckt. Man kann die Anspannung spüren und den Versuch, in der (manchmal konfliktiven) Alltäglichkeit eine Ruheinsel zu setzen, sich bewusst zu machen, was man aneinander hat.

Ich finde es gut, dass Kitas und Schulen das unterstützen, auch wenn manches davon vielleicht klischeehaft ist und mitunter eigentlich längst überholt geglaubte Rollenzuschreibungen zementieren kann. Genau deswegen ist auch die Intervention der (katholischen) Kita aus dem Bistum Fulda so spannend, in diesem Jahr einen Kontrapunkt zu setzen und nicht einfach weiter so zu machen, weil sie die Frage aufwirft: Was kann der Muttertag 100 Jahre, nachdem er in Deutschland erstmals begangen worden ist, für heute und für morgen bedeuten? Oder zugespitzt: Ist der Muttertag wirklich die Harmoniesoße einer in ihrem ungerechten patriarchalen Familienstruktur, in denen Frauen einen Großteil der unentgeltlichen sogenannten Care-Arbeit übernehmen? In seinen Ursprüngen war der Muttertag das sicher nicht; er war (und ist?) tief verwurzelt in der feministischen Bewegung, es ging darum die Rechte der Mütter einzufordern. Natürlich wird jede Tradition irgendwann von Klischee und Kommerz eingeholt; trotzdem lohnt es sich, der Frage nachzugehen, was Muttertag - zumal für uns als Christ:innen heute bedeuten kann?

Ich möchte das nicht ganz allgemein bedenken, sondern konkret an einem Satz, der sich auf einer Anregung für ein Muttertagsgeschenk findet: "Mütter sind wie Knöpfe, sie halten alles zusammen" - steht dort, und in der Mitte ist ein Herz aus Knöpfen aufgeklebt oder aufgenäht. Irgendwie ein passender Sinnspruch und gleichzeitig - so scheint mir - das Bild von fast grenzenloser (Selbst)Überforderung. Familien sind in der Moderne zu den zentralen Orten geworden, an denen wir Menschen Geborgenheit und Wohlergehen vermuten bzw. die zu den Sehnsuchtsorten von Geborgenheit werden inmitten einer zunehmend technisierten und digitalisierten Welt. Diese Sehnsucht rührt aber auch gerade daher, dass eine konkrete Familie das eben nicht aus sich selbst heraus ist. Geborgenheit, Wohlergehen, Harmonie sind Geschenke und sie sind flüchtig; wir können sie nicht halten; auch dann nicht, wenn wir uns selbst als Knopf verstehen, der oder besser: die alles zusammenhält.

Für mich ist das Interessante an dem Knopf-Bild, dass es offensichtlich aus sich selbst heraus nicht vollständig ist. Anders gesagt: ein Knopf alleine hält noch gar nichts, es braucht zumindest einen Faden, mit dem der Knopf irgendwo festgenäht ist. Und bei den meisten Kleidungsstücken gibt es auch nicht nur einen Knopf, sondern mehrere, die etwas zusammenhalten. Das Bild des Fadens hat für mich als Christ eine Verbindung zu meinem Glauben. Glauben bedeutet - wenn man das hebräische Wort "Amen", das man im Deutschen mit "glauben" übersetzt, zu Rate zieht - ursprünglich erstmal so viel wie: "sich festmachen an", vielleicht wie ein Knopf an einem Kleidungsstück festgemacht ist. Festgemacht meint dabei dann aber nicht allein den Glauben, sondern insgesamt, von guten, belastbaren und haltbaren Beziehungsfäden gehalten zu sein.

Wenn wir als Christ:innen Mutter- und/oder Vatertag begehen, dann steckt darin nicht die Idealisierung eines bestimmten Familienbildes, sondern auch die Sehnsucht, dass jemand uns hält und begleitet mitten in den alltäglichen Überforderung des Elternseins (wie es der Psychologe Björn Süfke so schön formuliert), der es mütterlich oder väterlich gut mit uns meint. Die Sehnsucht, dass wir an der Mütterlichkeit oder Väterlichkeit Gottes Anteil erhalten und wir gehalten sind vom göttlichen Segens- und Geduldsfaden. In dem alltäglichsten christlichen Gebet - dem Vater unser - kommt das für mich zum Ausdruck; ganz besonders dann, wenn man es in der Form des schweizerischen Theologen und Dichters Kurt Marti noch einmal anders hört:

unser vater
der du bist die mutter
die du bist der sohn
der kommt
um anzuzetteln
den himmel auf erden...

(Den kompletten Text finden Sie z.B. auf der schweizerischen Internetseite glauben-leben-teilen).

Ich wünsche allen Müttern und Vätern, allen, die sich mit ihrem Mutter- oder Vatersein gerade schwertun und allen, die gerne Mutter oder Vater wären, es aber aus welchem Grund auch immer nicht sind, Gottes Segens- und Geduldsfaden.

Herzlich grüßt
Alexander Jaklitsch, Pastoralreferent